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Migräne stellt viele Therapeut:innen und Betroffene vor komplexe Herausforderungen
Besonders dann, wenn keine klare medizinische Ursache erkennbar ist. Klassische Behandlungsansätze konzentrieren sich auf Symptome wie Schmerz, Übelkeit oder Lichtempfindlichkeit. Doch zunehmend zeigt sich: Migräne ist nicht rein körperlich. Sie ist eng mit dem vegetativen Nervensystem, emotionalem Stress und psychosomatischen Prozessen verknüpft.
Gesprächshypnose bietet in diesem Zusammenhang einen Ansatz, der weder Medikamente noch Hypnosetechniken erfordert – sondern auf etwas aufbaut, das im therapeutischen Alltag oft übersehen wird: das Gespräch selbst. Konkret geht es um eine Art der Kommunikation, in dem sich Veränderung durch echte Präsenz, Wahrnehmung und Resonanz entfalten kann.
Migräne – mehr als ein körperliches Symptom
Migräne wird heute zunehmend als Erkrankung des autonomen Nervensystems verstanden. Faktoren wie chronischer Stress, Schlafmangel, emotionale Überforderung oder ungelöste innere Konflikte können dieses System überlasten – und so Migräneanfälle auslösen oder verstärken können.
Ein deutlicher Hinweis darauf kommt von Dr. med. Agosti, Facharzt für Neurologie. In einem Interview mit Craniosuisse beschreibt er:
„Migräne ist eine Erkrankung des autonomen Nervensystems… Schon in der Klinik spielt nonverbale Kommunikation eine große Rolle: das Zuhören, das Hinhören, das Zeit-Geben.“
Interview lesen (PDF)https://www.craniosuisse.ch/craniosacral-therapie-bei-migraene.htm
Dieser Hinweis macht deutlich, dass Veränderung bei Migräne nicht nur durch Medikamente oder Techniken erfolgen kann – sondern oft durch eine feinere Form der Beziehungsgestaltung im Gespräch.
Gesprächshypnose – wenn Worte allein nicht ausreichen
In der Gesprächshypnose geht es nicht um klassische Hypnose-Prozesse. Es gibt keine Augen, die geschlossen werden müssen, keine suggestiven Formeln, keine geführten Bilderreisen oder Treppenstufen. Stattdessen basiert diese Methode auf einem offenen, ehrlichen Gespräch – getragen von Neugier, Mitgefühl und Aufmerksamkeit für das, was sich zwischen den Zeilen zeigt.
Der Fokus liegt nicht auf „Machen“, sondern auf Zulassen, Spüren, Verstehen. Auf das, was Klient:innen oft nicht in Worte fassen können – aber trotzdem nonverbal ausdrücken, etwa durch Körpersprache, Atmung, Spannung, Vermeidung oder plötzliche innere Reaktionen.
Barbara Bryce, Ausbilderin für Gesprächshypnose, formuliert es so:
„Es ermöglicht Klient:innen, in einem ehrlichen Gespräch Veränderung auf einer anderen Ebene zu erleben – jenseits der Stelle, an der bisher gesucht wurde.“
Die Gesprächshypnose ist damit nicht nur ein Werkzeug – sie ist eine Haltung. Eine Form des Kontakts, in der Symptome nicht analysiert, reguliert werden, sondern verändert.
Nonverbale Kommunikation als Schlüssel
Ein zentraler Bestandteil der Gesprächshypnose ist die nonverbale Kommunikation. In vielen therapeutischen Settings bleibt sie unbewusst – obwohl sie in jedem Gespräch mitschwingt: über Mimik, Körperspannung, Stimmlage, Pausen oder Blicke.
Gerade bei Migräne, einem Zustand, in dem häufig „nichts gesagt werden kann“, weil Sprache überfordert oder nicht verfügbar ist, bekommt das Nonverbale besondere Bedeutung.
In der Praxis kann das bedeuten:
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das bewusste Wahrnehmen einer plötzlichen inneren Bewegung im Gespräch,
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das Aufgreifen eines emotionalen Moments ohne ihn zu zerreden,
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das Zulassen von Stille – als Raum, in dem etwas auftaucht.
Diese Form des Dialogs wirkt häufig dort, wo andere Methoden an ihre Grenzen stoßen.
Erkenntnis statt Intervention
Veränderung in der Gesprächshypnose entsteht nicht durch gezielte Intervention, sondern durch Erkenntnisprozesse. Ein einziger Satz, ein bestimmter Moment oder eine unerwartete Erinnerung kann genügen, um Symptome in einem neuen Licht zu sehen. In vielen Fällen berichten Klient:innen im Nachhinein, dass sie „plötzlich etwas verstanden haben“ – etwas, das lange unbewusst war.
Ein Aha-Moment kann bewirken, dass sich Spannung löst. Dass etwas im System „neu sortiert“ wird. Dass eine Migräne, die bislang als rein körperlich erlebt wurde, in Verbindung mit einem inneren Konflikt oder einem überforderten Teil in der eigenen Biografie gebracht wird.
Solche Erkenntnisse lassen sich nicht herbeiführen – sie entstehen im Raum zwischen Therapeut:in und Klient:in, getragen von Respekt und Offenheit.
Zusammenarbeit mit medizinischen Fachpersonen
Gesprächshypnose versteht sich nicht als Konkurrenz zur Schulmedizin, sondern als Ergänzung. Besonders hilfreich kann sie dort sein, wo medizinisch „nichts mehr gefunden werden kann“, aber das Leiden bestehen bleibt.
Die Integration in ein multiprofessionelles Setting – gemeinsam mit Hausärzt:innen, Schmerztherapeut:innen oder Neurolog:innen – kann Klient:innen helfen, sowohl körperliche als auch seelisch-geistige Ebenen ihrer Erkrankung besser zu verstehen und zu regulieren.
Für Therapeut:innen bedeutet das: Gesprächshypnose kann eine Brücke bauen. Zwischen körperlicher Symptomatik und emotionalem Erleben. Zwischen dem, was sichtbar ist, und dem, was gespürt wird.
Fazit
Gesprächshypnose ist ein stiller, aber kraftvoller Weg, Menschen mit Migräne auf einer tieferen Ebene zu begleiten. Sie nutzt kein Werkzeug, keine Technik – sondern die Qualität des echten Gesprächs. Veränderung entsteht nicht durch „Tun“, sondern durch wirkliches Zuhören, das im Kontakt möglich wird.
Gerade bei komplexen Themen wie Migräne – wo medizinische Erklärungen an ihre Grenzen stoßen und emotionale Aspekte oft ausgeklammert werden – eröffnet dieser Ansatz neue Perspektiven. Für die Klient:innen, aber auch für die Begleitenden selbst.
Gesprächshypnose wirkt nicht laut, aber oft erstaunlich schnell, selbstwirksam und tief.
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